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"Moon light", Eröffnungsrede des Schriftstellers Jan Christ, zur Ausstellung von Hans Wesker, in der Lippischen Gesellschaft für Kunst, im Schloss Detmold.
Jan Christ, Stille

.. ich erkenne in Hans Weskers Arbeiten eine geschundene Oberfläche, die bröckelt, brackt, so regenzeitig gegerbt, ausgewaschen oder so geschwürig besetzt, wie Totenhaftes, oder wie Reflexe aus Kohlenhalden, aufgesprungen, risshaldig, wie Körperschutt, schüttern, wie die Schichten abgelagerter Jahrzehnte, die Mehrschichtigkeit, die Übermalungen, scheinen darauf hinzudeuten, dass ihn Verwitterung interessiert, die Unansehnlichkeit aus Zersetzung und Verätzung, die keine Oberfläche mehr sein will, zwar immer noch eine ist, zwangsläufig, aber sich nach innen zu einkrümmen will, in eine Tiefenschicht, die natürlich keine Planheit mehr aufweist, keine Glätte, keinen Glanz – und – dies scheint mir kein Wunder zu sein – eine feine Stille entstehen lässt.

 

Die Frage: woher kommt diese Stille ins Werk Weskers?

 

Es sind seine Farben vergleichbar mit den dunklen Malhintergründen der klassischen Holländer, viel mehr aber noch mit den Hintergründen der IKONEN, die keine eigentliche Finsternis darstellen, kein spirituelles Schwarz haben, wie es später erst bei Mark Rothko erscheint.

 

Es sind bei Wesker Stufen der Sättigung, der Sattheit, aus der Mehrschichtigkeit, die nicht mehr glänzen, leuchten kann, eine AUFMALEREI ist. ...es ist nicht Malerei der Sonne sondern, der Nacht, des Mondes, also eines reflektierten Licht, das immer stiller ist als die Lichtquelle selber.

 

...es sind Farben, die mir sehr vertraut sind, so aus Heide- und Moorgegenden nach dem Regen. Wer an solchen Tagen durchs Moor gegangen ist, weiß, wie ein Dichter zu dem Wort SCHWARZES LICHT gekommen ist...

 

Oder auch im Hochgebirge, diese stehengebliebenen Wasser in Spalten oder diese Hochseen mit einer sehr großen Tiefe, diese Hänge, die ganz nach dem Schattenanteil eine unermessliche Farbigkeit haben, wie Unterwasserbilder, vor allem durch den Anteil von Flechten, Moosen etc. also blütenlosen Pflanzen. Wie für die Heidebilder gilt auch hier: jede Schönung führt unweigerlich zum Kitsch.

 

Hans Wesker umgeht ihn durch ein gewissermaßen INNERES MALEN. Er malt aus den Körpern der Dinge, aus ihnen heraus oder in sie zurück, aber nie über sie hinweg. Natürlich sind hier Assoziationen mit der Modersohn-Becker bzw. mit dem sehr frühen Van Gogh nicht verboten, aber sie bringen wenig, weil es bei den Genannten noch um das Malen von Schatten geht, also das Changieren zwischen Licht und Schatten, was Hans Wesker nicht interessiert, da es sich bei den Tafelbildern ja auch nicht mehr streng genommen um Bilder handelt, sie sind AUSSCHNITTE aus viel größeren imaginären Flächen, Wänden, Körpern, was ihn schließlich und konsequenterweise zum Raum bringt.

 

Der Ausstellungsraum, den er nicht nur aushängt mit seinen Arbeiten, sondern nach einer Möglichkeit sucht, ihn als ganzen zu fassen, ...ihn auch als ganzen einzubringen, zu gestalten

 

Jan Christ, Ausschnitt aus der Eröffnungsrede anlässlich der Ausstellung der Lippischen Gesellschaft für Kunst, Detmold 1996

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