Anne Mueller von der Haegen, Klang der Städte
… Hans Wesker, ist Maler von Haus aus. Ein Künstler, der die Welt, die bekannte und vor allem auch die unbekannte nahezu synästhetisch als komplexe Klang-Farbe wahrnimmt.
Die gesammelten Töne sind also wie vorbereitete Farben für einen Maler. Sind sie im Atelier oder im Studio, dann kann die umsetzende Arbeit, die Übersetzung des Gesehenen, Gedachten und Gefühlten beginnen.
Hans Wesker ist Maler. Ein Maler, den es über Figuratives zu nie ganz abstrakten Farbschichten, zu Farbräumen und Klangfarben bewegte, von dort zum Zeitbasierten, zu Klangfarben und Klangräumen, zu einer Klangkunst, die die Prinzipien seiner Malerei erweitert und zugleich auf diesen beruht.
Hans Wesker ist in Mumbai. Er ist überwältigt von Licht und Farben, Gerüchen und Geräuschen, von dem überbordenden Durcheinander der Millionenstadt – Menschen und Verkehr. Der Künstler taucht ein und überlässt sich den Eindrücken von Bewegung, Lautstärke des Funktionierens einer Stadt ebenso wie der klösterlichen Stille. Recorder, Skizzenbuch und Fotoapparat sind als verlängerte Sinne und sammelndes Gedächtnis dabei – nicht absichtsvoll, eher dem Strom dieses Stadtkosmos folgend.
Die optischen Eindrücke, die auf dem Kamera -Stick und im Skizzenbuch aus Mumbai nach Braunschweig zurückkehrten, hat Hans Wesker für die Ausstellung neu gefasst: Waren sie zunächst Dokumente zur Erinnerung an die vielfältigen Sinneseindrücke, Hilfe zur Bewältigung der Reizüberflutung, wurden sie jetzt geordnet und bearbeitet. Die Farbskizzen digitalisiert und mit den Fotos zusammengebracht, am Computer bearbeitet, radiert und betont bis genau die eine Bildkomposition entstand, die exemplarisch stehen konnte. Es sind Schichtungen der Farben, die sich mit fotografischen Gegenständen überlagern und hier auf Aquarellpapier gedruckt wurden. Schichten der Erinnerung. Erst nach und nach erkennen wir einen Bahnhof, eine Krähe, Menschen und Gebäude, die aus dem Meer der Farben sich herauskristallisieren und als Kontrapunkt einen Halt geben.
Sehr vergleichbar geht Hans Wesker mit den mitgebrachten Originaltönen um: Straßenverkehr, Zugverkehr und im Kontrast dazu die meditative Stille der buddhistischen Anlangen in und um Mumbai bilden die auditiv erlebten Schwerpunkte, die im nachträglichen Hören als fließender Klangstrom- den Farben vergleichbar - wahrgenommen und zur Grundlage der Bearbeitung wurden.
Dem Fluss der Geräusche nachgehend, wird das Material mit elektronischen Klängen verwoben und zu einer symphonischen Struktur verdichtet. Details wie der namengebende Dialog oder die Klangvielfalt der Krähen waren erst beim Wieder- und Wiederhören der Originaltöne deutlich, sie sind durch Dopplung oder Verstärkung prononciert, manche erst durch Filterung überhaupt wahrnehmbar, und werden so wie auf den Bildern gegenständliche Dichte-Punkte.
Hans Wesker ist eingetaucht in die überraschende Fremde, hat Geräusche und Farben mitgebracht und zu Hause damit gemalt, herausgehört die Einzelheiten, elektronisch verändert, hinzugefügt, betont, neu gemischt, überlagert bis ein 36 Minuten-Bild entstanden ist – ein Soundstück, das die zuerst überwältigende Kakophonie, deren Kommunikation, deren Rhythmus, deren Kontraste, deren Krähen, Hupen, Schreien und Sprechen Hans Wesker in ein Ganzes übersetzt und uns in ein atmosphärisches Bild eintauchen lässt. Wir werden Farben und Einzelheiten, vielleicht die Bilder erinnernd, mithören. ...
Dr. Anne Mueller von der Haegen: Ausschnitt aus der Rede zur Ausstellung KLANG DER STÄDTE, gemeinsam mit Clemens von Reusner im Westwendischen Kunstverein 2018